Ich bin ein Waldläufer, holt mich hier raus!

Nachdem wir alle am Sonntagabend gut im Hostel in Manaus angekommen waren und einen ersten Tag in der Stadt verbracht hatten, kam es zum nächsten Highlight auf unserer Reise – der Erkundung des Amazonas.

Am Dienstagmorgen machten wir uns auf den Weg zum Reiseunternehmen, wo wir unsere Tour gebucht hatten. Vor Ort trafen wir auf Carlos, der aufgrund seiner 30-jährigen Erfahrung als Tourguide für Forschungsgruppen und biologisch Interessierten extra für uns angefragt wurde. Über die nächsten zwei Tage hinweg haben wir alle sehr davon profitieren können.

Zunächst ging es von dem Unternehmen mit dem Taxi zum Hafen und von dort auf eines der Boote. Diese flachen, mit Außenbordern betriebenen Boote ersetzen im Amazonas Gebiet fast jedes Verkehrsmittel, was man auf unseren Straßen antreffen kann. Das liegt daran, dass es nur sehr wenige Straßen zwischen den Dörfern der überfluteten Wälder (Igapó/Varzeá) und den dichten „trockenen“ Regenwäldern (Terra Firme) gibt und diese häufig direkt am Ufer auf Stelzen oder als Hausboote errichtet werden. Transport findet dementsprechend fast ausschließlich auf dem Wasser statt.

Nach ein paar Minuten auf dem Rio Negro (Schwarzer Fluss), der seinen Namen aufgrund seiner Farbe trägt, gelangten wir zu der Stelle, an dem dieser auf den Amazonas trifft. Das ist beeindruckender als man im ersten Moment denkt. Der schwarze Fluss, reich an organischen Stoffen, vermischt sich nicht direkt mit dem deutlich helleren Amazonas, der viele Mineralien mitträgt und eine andere Temperatur besitzt. Sie fließen zunächst mehrere Kilometer nebeneinander her und man kann sie ganz genau auseinanderhalten.

Im nächsten Hafen angekommen ging es noch einige Kilometer auf Teerstraße und Schotterpiste in zwei klapprigen VW T2 Bussen weiter und dann nochmals auf ein Boot. Der letzte Abschnitt führte uns zwischen im Wasser stehenden Bäumen und Sträuchern hindurch über eine atemberaubende Flusslandschaft zu unserer Unterkunft für die nächsten 24 Stunden.

Zum Mittag gab es wie gewohnt Bohnen und Reis (diesmal jedoch mit gebratenen Piranhas als Beilage) und danach startete unsere erste Tour in den Dschungel. Mit dem Boot fuhren wir durch die überfluteten Wälder und Carlos erzählte uns mehr über Pflanzen, ihre Einbettung in das Ökosystem und deren Nutzen für die lokale Bevölkerung. Es war fast unwirklich durch den schummrigen Wald zu fahren, wo die Sonnenstrahlen nur in funkelnden Flecken auf das Wasser treffen und die Stimmen der Vögel und Insekten in einem fröhlichen Durcheinander erklingen.

Zurück auf dem Fluss haben wir die vielen unterschiedlichen Vögel beobachten können und sind sogar auf Delfine getroffen. Während einer kurzen Pause bei einer Familie wurden uns noch ein paar Früchte und deren Anbau gezeigt und wir hatten die Möglichkeit in den Fluss zu springen, um uns ein wenig abzukühlen. Dies war jedoch nur möglich, wenn man weiter hinausgeschwommen oder tiefer herunter getaucht ist. An der Oberfläche und am Ufer war das Wasser ziemlich warm.

Passend zum Sonnenuntergang waren wir wieder auf dem Fluss und konnten gemeinsam einen der schönsten Momente der zweitägigen Tour genießen. In einem Holzboot sitzend im Amazonas schippern, nebem einem schwimmenden Delfinen zuschauen und hinter einem taucht die untergehende Sonne den Himmel und das Wasser in ein leuchtendes Orange.

Nachdem die Sonne komplett untergegangen war, machten wir uns während des Rückweges auf die Suche nach Kaimanen. Diese Krokodile werden bis zu sechs Meter lang und es kommen drei Arten in der Region vor. Unser Guide suchte die nächsten Minuten das Ufer mit einer Lampe ab und irgendwann fischte er mit bloßen Händen ein 40 cm langes Exemplar aus dem Wasser.

Abends saßen wir nach dem Essen noch eine Weile bei Kerzenschein und Gesang zusammen, da der Strom ausgefallen war.

Am nächsten Morgen machten wir uns schon früh mit dem Boot auf den Weg in den Regenwald. Carlos und Diego, ein weiterer Brasilianer, zeigten uns auch hier die verschiedenen Pflanzen und ihren Nutzen. Sie gingen auch auf den Unterschied zwischen Sekundär- und Primärwald ein, also bereits genutzten sowie teilweise gerodeten Wäldern und unberührter Natur. Der Wald war aufgrund der vielen Tiergeräusche überraschend laut und die Artenvielfalt im Allgemeinen überwältigend.

Eine der wichtigen Pflanzen für die Bevölkerung, die uns gezeigt wurden, ist die Açai-Palme. Aus dem oberen Stammabschnitt kann man das Palmenherz (Palmito) gewinnen, der Stamm wird für die Böden der Häuser verwendet, für die Wurzeln gibt es einige medizinische Anwendungen und die Beere stellt ein essentielles Nahrungsmittel dar.

Nachdem wir auf dem Weg in den Regenwald alle versucht hatten auf die Palme zu klettern und die meisten von uns schon nach einigen Zentimetern gescheitert waren, hat Diego den Strauß an Beeren für uns heruntergeschnitten und wir haben sie als Gruppe geerntet.

Mit vollgepackten Brotdosen, Packsäcken und Tüchern machten wir uns zurück auf den Weg zu der Lodge, wo wir unser Mittagessen einnahmen. Da mittlerweile auch das Wasser ausgefallen war, sprang man vorher noch schnell für eine Erfrischung in den Fluss. Im Anschluss wurde uns gezeigt, wie die Beeren zu Saft weiterverarbeitet werden. Jeder half dabei das sehr dünne Fruchtfleisch von den Kernen lose zu stampfen, welches dann mit Wasser verdünnt und durch ein Sieb gedrückt wurde. So konnten wir zum Abschluss der Tour noch alle ein Glas selbstgemachten Açai-Saft trinken und danach den Rückweg zum Hostel in Manaus antreten.

Erschöpft, aber reich an vielen tollen Erfahrungen und eindrucksvollen Erlebnissen, kamen wir am Abend im Hostel an.

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